Weshalb in Bundesbern die Kosten für Informatik-Projekte ab und zu ausufern

Gregor Weisser  1 September 2011 18:53:42
In einem Interview gegenüber dem Tages-Anzeiger (Ausgabe vom 1.9.2011) wurden diverse Gründe für Kostenüberschreitungen ins Feld geführt .

Wir haben bei ATEGRA bis dato alle Projekte innerhalb des Budgets realisiert und der Zeitplan musste nie wegen uns angepasst werden. Dennoch liefen aus Kundensicht nicht alle Projekte zufriedenstellend, wenn man die drei wichtigsten Kenngrössen "Kosten", "Zeit" und "Qualität" betrachtet. Was waren die Gründe?

1. Bei Projekten für die öffentliche Hand, wo ein Beschaffungsverfahren nach GATT-WTO resp. der Submissionsverordnung abläuft gilt folgendes: Die beschaffende Stelle muss zuerst ein Budget einreichen für das im Folgejahr zu startende Projekt. Dabei muss eine grobe Kostenschätzung gemacht werden. Diese ist nicht nur ungenau, sondern oft auch zu tief, nicht zuletzt auch weil die schätzende Person, das Projekt meistens als "kostengünstig" darstellen will. Wenn dann später Offerten eingeholt werden, stellt sich immer wieder heraus, dass die Kostenschätzungen der Anbieter deutlich höher liegen, weil diese die realen Kosten schätzen müssen, um nicht in die roten Zahlen zu kommen. Ein Ausweg wäre es bereits in der Budgetierungsphase mit den Anbietern Kontakt aufzunehmen für Grob-Offerten. Allerdings sind diese auch nur so gut, wie die Anforderungsvorgaben: Je weniger ein Anbieter über die Anforderungen an die zukünftige Lösung weiss, desto weniger genau wird die Kostenschätzung und Offerte.

2. Es kommt immer wieder vor, dass die Problemstellung aufgrund einer Gesetzesänderung oder eines neuen Gesetzes völlig neu ist. Das führt dazu, dass auch die Mitarbeitenden der Verwaltung noch nicht wissen, wie die Lösung aussehen soll und deswegen keine klaren Anforderungen formulieren können. Die ideale Lösung für dieses Problem wäre eine Person, die über sehr viel Verwaltungserfahrung, Prozess-Gestaltungserfahrung und Informatik-Projekt-Erfahrung verfügt und die Anforderungen federführend zusammenstellt. Leider sind solche Leute sehr rar.

3. Es gibt durchaus Anbieter (zu denen wir uns nicht zählen), die tendenziell konkurrenzlos tiefe Offerten machen, indem sie den Leistungsumfang aufs absolute Minimum beschränken, keine Reserve einbauen und darauf spekulieren, bei jeder passenden Gelegenheit dem Kunden eine Anforderung die detailliert wurde als Zusatzanforderung (sog. "change request") zu präsentieren und dafür dann zusätzliche Kosten zu verrechnen. Der Anbieter hat dabei einerseits den Vorteil aufgrund der tiefen Kosten in der Offerte den Zuschlag zu erhalten und anderseits kann er das ursprüngliche enge Kosten-Korsett mittels change requests lockern.
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