Consumerization is not just UI Design
Max Kellermeier 9 November 2016 14:54:26
Ein persönlicher EindruckConsumerization - aktuell einer der angesagtesten Begriffe in der Anwendungsentwicklung nach "Cloud" und "Mobile first". Doch was bedeutet es genau?
Ein Kollege meinte ganz locker: Im Wesentlichen geht es um schöne User Interfaces. Also prinzipiell kein neues Thema, da das UI Design seit jeher zur Anwendungsentwicklung gehörte, und ein schönes, intuitiv zu bedienendes UI kennzeichnend für jede erfolgreiche Software ist. Ich stimme zu, dass das UI Design ein Teil der "Consumerization" ist. Allerdings geht es noch darüber hinaus.
Ein schönes User Interface hat schöne Buttons, einen nachvollziehbaren Aufbau und stellt die Daten übersichtlich dar. Gerade der letzte Punkt ist allerdings häufig gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Häufig erhält man als Anwender weit mehr Information oder Dokumente als man gerade benötigt. Als Beispiel möchte ich hier ein Dokument nennen, dass nach seinem Zweck und seiner Zugehörigkeit im Dateisystem irgendwo abgelegt ist. Als User muss man sich nun im Dateibrowser durch unterschiedliche Ordner klicken, bis man beim gewünschten Dokument angelangt ist. Ein Doppelklick öffnet die Datei nun. Allein das Navigieren durch die Ordnerhierarchie ist schon zeitaufwendig, da ist es doch naheliegend, das irgendwie effizienter zu gestalten.
Damit wären wir bei einer ganz konkreten Funktion, die typisch für Consumerization ist - eine Favoritenleiste. Jeder zeitgemäße Dateibrowser oder Internetbrowser hat eine solche.
Warum ist dies wichtig für Consumerization? Beim UI Design geht es häufig darum, Daten in möglichst vielen unterschiedlichen Formen darzustellen - nach Beträgen sortiert, nach Jahr und Monat kategorisiert, nach Status eingeordnet. Jeder Nutzer bevorzugt eine andere Darstellung derselben Daten. Nun heißt das im Umkehrschluss, dass er die vielen anderen Ansichten in 90% seiner Anwendungsfälle gar nicht benötigt. Da kommt die Favoritenleiste ins Spiel. Kann er nun seine bevorzugte Ansicht, seine wichtigen Dateien oder die Ordnerpfade an einem Ort ablegen, zu dem er immer schnell Zugang hat, so muss er sich nicht durch die Hierarchie arbeiten. Natürlich muss diese im Hintergrund trotzdem bestehen bleiben, damit man auch für die anderen 10% der Anwendungsfälle diese nutzen kann.
Neben der Favoritenleiste gibt es auch einen weiteren Ansatz, um den Zugriff auf Dateien ohne den Umweg über die Hierarchie zu erhalten. Die Idee der App. Man öffnet nicht mehr die Datei - zum Beispiel mit einem Doppelklick - die anschließend das Programm startet, in dem sie geöffnet wird, sondern man öffnet zunächst das Programm bzw. die App, in der im Idealfall bereits Vorschläge gemacht werden für das Öffnen einer Datei. Ein Beispiel hierfür sind Fotos. Um diese möglichst geordnet abzulegen, werden auf einem PC Ordnerhierarchien angelegt. Jeder hat hierfür seine eigene Strategie, häufig aber geht es nach Datum. Auf dem Smartphone kümmern sich die meisten Nutzer kaum darum, die Fotos in verschachtelten Ordnern abzulegen. Die Fotos werden auch nicht aus einem Dateibrowser heraus geöffnet, sondern man startet die "Galerie", in der alle Fotos bereits in Miniaturansicht dargestellt werden - sortiert nach "zuletzt aufgenommen".
Natürlich gibt es auch in solchen Apps die Möglichkeit, die Bilder zu gruppieren zu "Alben". Aber die Strukturen werden flach gehalten. Es gibt in den Standard-Foto-Apps keine Möglichkeit, "Unteralben" anzulegen - zumindest bin ich noch nicht darauf gestoßen bzw. habe es nicht benötigt. Aber je nach App sind diese Alben im Hintergrund nicht mal als Ordner im Dateisystem abgelegt. Das heißt, für eine andere App, die auf dieselben Fotos zugreift, ist die Information der Gruppierung verloren. Ob ein Ordner im Hintergrund angelegt wird oder nicht, ist je nach App unterschiedlich. Im Wesentlichen öffnet jedoch kaum ein Nutzer seine Fotos auf dem Smartphone, indem er sie im Dateisystem sucht.
Das Konzept der app-orientierten Nutzung ist nicht immer leicht zu übertragen auf andere Dateien. Insbesondere bei Arbeitsprozessen, zu denen viele Dateien unterschiedlichen Formats gehören, ist nicht eindeutig, wie auf diese möglichst effizient zugegriffen werden kann. Ein Vorschlag meinerseits wäre, Projekte und zusammengehörige Daten, die abgearbeitet sind, nicht in der Arbeitsansicht darzustellen. Natürlich gibt es viele Projekte, die aufgrund laufender Verbesserungen nie als abgeschlossen angesehen werden können. Allerdings lassen sich diese Verbesserungsschritte in Subprojekten organisieren, die abgeschlossen werden.
Nun klingt es so, als ob Consumerization eigentlich nur Personalisierung ist. Consumerization beschreibt meines Erachtens auch andere Elemente des Designs, die unabhängig sind vom Nutzer selbst, aber das "konsumieren" angenehmer machen. Das Nachladen von Inhalten am Ende einer Seite ist eines dieser Elemente. Früher waren die Listeninhalte von Webpages statisch, d. h. es konnte auch nur eine feste Anzahl an Einträgen dargestellt werden. Man war es gewohnt am Ende der Seite auf "Nächste Seite" zu klicken, um die nächsten 20 Suchergebnisse zu erhalten. Google bleibt diesem Prinzip treu, gemäß der Vermutung, dass man nichts findet, wenn es nicht bereits unter den ersten zehn Treffern ist. Bei einer reinen Textauflistung wie bei Google sorgt es für Ordnung. Bei mutlimedialen Inhalten wie die Timeline von Facebook lädt die Seite weitere Posts nach, wenn man bis ans Ende scrollt. Ob das automatisch passiert, oder erst durch einen Klick des Users initiiert wird, ist eine Frage des Inhalts und des Anwendungsdesigns - in beiden Fällen ist es angenehm, dass keine zusammenhangslose Trennung der Daten erfolgt und eine neue Seite geladen wird.
Das ist mein Verständnis von Consumerization.
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