Verhaltenskodex im Umgang mit Lieferanten
Gregor Weisser 29 May 2017 18:39:57
In einer Volkswirtschaft, in der die Regeln der freien Marktwirtschaft gelten, haben wir in unserer Rolle als Kunde immer wieder Kontakte mit verschiedenen Lieferanten. Welche Regeln sollten beachtet werden im Umgang mit Lieferanten?1. Grundsätzlich sind wir als Kunde daran interessiert, dass es eine genügend grosse Auswahl an leistungsfähigen Lieferanten für unsere Bedürfnisse auf dem Markt gibt. Deswegen ist es grundsätzlich auch unser Anliegen, die Leistungsfähigkeit der Lieferanten zu stärken (und nicht zu schwächen). Welche Möglichkeiten bestehen dazu? Grundsätzlich sind es alle Varianten des Feedbacks. Gute und schlechte Leistungen (auch bereits in der Offertphase) sollen zurückgemeldet werden - und gute Lieferanten reagieren auf Feedback.
2. Offerten sollten bei grösseren Vorhaben bei mehr als einem Lieferanten eingeholt werden. Die meisten Lieferanten sind dankbar, wenn Sie die Gelegenheit erhalten eine Offerte einzureichen. Jeder Lieferant muss akzeptieren, dass er den Zuschlag nicht erhält. Das gehört zum Prinzip der freien Marktwirtschaft. Damit die Lieferanten dazulernen können, ist es aber sinnvoll, sie aufzuklären, weshalb sie den Zuschlag nicht erhalten haben. So werden Sie hoffentlich besser und können bei unserer nächsten Beschaffung noch besser unsere Bedürfnisse treffen.
3. Wenn ein Lieferant einen Fehler macht, müssen Sie es ihm explizit mitteilen. Der Lieferant soll eine Chance bekommen, den Fehler in Zukunft zu vermeiden. Achten Sie auf die Reaktion des Lieferanten: Kann er Ihnen glaubwürdig darlegen, was er unternehmen wird, damit der Fehler nicht mehr auftritt? Ein Lieferant, der sich als nicht-lernfähig oder sogar als nicht lernwillig erweist, disqualifiziert sich. Teilen Sie ihm dies mit.
4. Es macht Sinn, dass Sie sich einen Standard-Lieferanten pro Gebiet einrichten. Ergänzen Sie die Liste nur langsam. Sie darf nicht zu lange werden. Streichen Sie einen Lieferanten von Ihrer Liste, wenn er wiederholt nicht lernfähig war.
5. Wenn immer sehr viele Lieferanten eingeladen werden und jedesmal bloss einer gewinnt, wird das Verhältnis Anzahl Offerten zu Anzahl ausgeführter Aufträge immer ungünstiger, was sich schlussendlich auch auf die Preise auswirkt. Faustregel: Es sollten nicht mehr als vier Lieferanten zu einer Offertstellung eingeladen werden.
6. Derjenige Lieferant, der den Zuschlag erhält, soll über den Grund der Wahl informiert werden. Begründung: Gute Eigenschaften, die nicht explizit anerkannt werden, laufen die Gefahr zu verschwinden. Der Lieferant sollte wissen, weshalb er bevorzugt wurde, damit er diese Qualitäten weiterhin pflegen oder ggfls. ausbauen kann. Alles im Interesse des Kunden.
7. Diejenigen Lieferanten, die den Zuschlag nicht erhalten, sollen über den Grund informiert werden: Welche Qualität ihres Angebots war zuwenig gut? Die Information soll derart erfolgen, dass der Lieferant eine Möglichkeit erhält, sich in diesem Bereich zu verbessern. Beispiel: Wenn der Preis zu hoch war, ist es richtig, den Lieferanten zu informieren über die relative Höhe des gewinnenden Angebots (in Prozent) und insbesondere auch auf eine allfällige andere Art des Angebots (z.B. andere Zusammensetzung der Leistung) zu informieren. Eine Aussage, der Gewinner war günstiger reicht nicht.
8. Ein "ungesunder" Preiskampf soll vermieden werden. Es darf nicht das Ziel sein, dass sich die Konkurrenten in einem Preiskampf gegenseitig in die roten Zahlen treiben (siehe Punkt 1). Ein leistungsfähiger Lieferant muss Gewinn machen, denn ein Unternehmen, dass keinen Gewinn macht überlebt nicht lange. Woran erkennt man "ungesunden" Preiskampf? Grundsätzlich ist es jederzeit möglich, dass ein Lieferant dank einem neuartigen Produktionsverfahren signifikant tiefere Preise verlangen kann. Dies kann möglich werden, falls eine Leistung, die bisher manuell erbracht werden musste, neu maschinell erbracht werden kann. Falls dies so ist, kann Ihnen der Lieferant sicherlich darüber Auskunft geben. Fragen Sie ihn! Falls er das nicht kann, handelt es sich vermutlich um einen "Kampfpreis". --- Hinweis: Es gibt Kunden, die jeweils die billigste und die teuerste Offerte in der ersten Evaluationsrunde aus dem Wettbewerb nehmen. Dies ist eine alte Praxis, dem "ungesunden" Preiskampf Gegensteuer zu bieten.
9. Angebote enthalten Kosten für Material und Kosten für Arbeitsleistungen. Material wird tendenziell immer günstiger. Arbeitsleistungen hängen direkt mit Löhnen zusammen. Wir alle haben kein Interesse an sinkenden Löhnen. Konsequenterweise sollten wir auch nicht auf diejenigen Preise drücken, die mit den Löhnen zusammenhängen. Wir können aber verlangen, dass ein Lieferant effizientere Methoden und Verfahren anwendet. Fragen Sie Ihre Lieferanten, wie sie günstiger liefern können dank besserer Prozesse - und erwarten Sie spannende Antworten!
10. Wettbewerb basiert auf klar formulierten Anforderungen und auf einer nachvollziehbaren Beurteilung der Angebote. Unklare Anforderungen führen dazu, dass Ihre Lieferanten nicht wissen, worauf sie sich konzentrieren sollen. Offerten, die aufgrund unklarer Anforderungen erstellt wurden sind nicht vergleichbar. Falls Sie feststellen, dass Sie unvergleichbare Angebote erhalten haben, sollten Sie einen Marschhalt in Erwägung ziehen und ggfls. eine neue, präzisere Offert-Einladung versenden.
11. Wenn Sie einen bekannten Lieferanten nicht zu einer Offerteingabe einladen, sollte dies begründbar sein. Mögliche Gründe können sein: a) Unzufriedenheit mit einer kürzlichen Lieferung resp. Leistung. (In diesem Fall sollte der Lieferant dies erfahren haben, da er sich nur so verbessern kann.) b) Vermutete Nicht-Eignung aufgrund des Anforderungsprofils. In diesem Fall sollten die Anforderung sehr stark abweichen vom bekannten Profil des Lieferanten, ansonsten sollte der Lieferant dennoch eingeladen werden, da die meisten Lieferanten Ihr Leistungsprofil weiterentwickeln und neue Leistungen in Ihr Angebot aufnehmen, sofern der Markt dies verlangt. Es ist also gut möglich, dass der von Ihnen nicht berücksichtigte Lieferant im neuen Gebiet der z.Z. beste Anbieter ist und Sie verpassen eine Chance, wenn Sie ihn nicht einladen.
12. Lieferanten mit relativ wenigen Kunden sind sich gewohnt, auf sehr unterschiedliche Kundenbedürfnisse einzugehen. Lieferanten mit sehr vielen Kunden versuchen ihre Produkte und ihr Leistungsabgebot zu standardisieren. Dies hat nicht nur Vorteile.
13. Jeder Lieferant darf nicht nur Gewinn machen, er sollte es auch. Ein Unternehmen, das nicht Gewinn macht, überlebt nicht mehr lange. Ein Unternehmen das Konkurs geht, vernichtet zumindest einen Teil der Arbeitsplätze und richtet somit volkswirtschaftlichen Schaden an. Auch als Kunde trage ich Mitverantwortung in diesem Bereich.
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